Mit seinem dokumentarischen Langzeitprojekt Die Rückkehr der Musik beobachtet er die Auswirkungen der Pandemie auf die Kultur- und speziell die Musikszene seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020. Auf bislang 300 Konzerten, Proben und Videodrehs in ganz Deutschland hält er die teils surrealen Bedingungen fest, unter denen Kultur noch stattfinden darf. Die Formate reichen vom Ständchen im Seniorenheim-Garten und Chorproben im Parkhaus über Live Streams bis hin zu analogen Veranstaltungen. Rock, Klassik, Jazz, Indie, Chormusik, Schlager – alle Genres sind im Visier seiner Kamera. Im Herbst 2021 keimte kurzzeitig Hoffnung auf. War das der Anfang vom Ende von Corona? Angesichts der aktuell über uns hereingebrochenen Omikron-Welle muss man wohl sagen: leider nein. Und so macht Pfisterer weiter, obwohl er sein eigentliches Ziel schon längst erreicht hat – visuell und umfassend Zeugnis abzulegen von der Resilienz der Kultur und der Kreativität der Kulturschaffenden.
Die Rückkehr der Musik: Das Projekt
Ebenso erhellend wie bedrückend, bewundernswert oder verrückt: Reiner Pfisterers Langzeit-Foto-Projekt Die Rückkehr der Musik stellt ein Zeitzeugnis im besten Sinne dar. Einen in dieser Dimension und Ambition einmaligen Bilderschatz zur Kultur und ihren Aufführungsbedingungen in Zeiten der Pandemie, vor allem aber eine Verbeugung vor den Künstlerinnen und Künstlern, die ihrem Beruf nachgehen – und dem Publikum, das ihnen die Treue hält.
Mittlerweile hat der Ludwigsburger Fotograf rund 300 Kultur-Events und Proben in ganz Deutschland festgehalten, die meisten von Profis, doch immer wieder richtet er den Blick auch auf musikbegeisterte Amateure.
Festgehalten und jederzeit einsehbar ist der Fortschritt des Projekts im Internet, auf dem Instagram-Kanal @rueckkehrdermusik, wo regelmäßig ein neues Motiv die Serie erweitert.
Bereits im September 2020 erschien außerdem eine erste Postkarten-Edition. Die Idee: In attraktiv aufbereiteten Sets mit jeweils 15 Motiven präsentiert Pfisterer seine persönliche Best-of-Auswahl der vergangenen Kulturmonate, kostenlos zum Mitnehmen ausgelegt in Kultureinrichtungen in ganz Deutschland. Die ersten vier Sets erschienen in Kooperation mit dem Pop-Büro Region Stuttgart, ab dem zweiten zusätzlich für ein Jahr gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.
Frisch aus der Druckerpresse kommt nun das fünfte Postkarten-Set, für das Pfisterer die Stadt Stuttgart und das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ebner Stolz als Unterstützer gewinnen konnte. Die Bilder entstanden zwischen Juli und November 2021. Als passendes Zeitschleifen-Motto wählte Pfisterer einen berühmten Song-Titel der Smashing Pumpkins: „THE END IS THE BEGINNING IS THE END.“ Schließlich führen die Motive vor Augen, unter welch extrem unterschiedlichen Aufführungsbedingungen Kultur-Events im Sommer und Herbst 2021 stattfanden. Stark von den Einschränkungen geprägte Eindrücke von einem Open-Air-Strandkorb-Konzert (Milow), vom gespenstisch leeren Olympiastadion München (WiebuschBosseUhlmann) oder dem durch säuberliche Linien auf Abstand getrimmten Picknick-Konzert von Milky Chance im Bodensee-Stadion Konstanz stehen neben Fotos, die wirken wie aus der Zeit vor der Pandemie, darunter der Auftritt von LP vor wild tanzender Menge bei den Stuttgarter JazzOpen oder die Württembergische Philharmonie Reutlingen im voll besetztem Saal des KKL Luzern. Die Serie endet mit einer verhaltenen Schlussnote. Das 15. und letzte Motiv zeigt Konzertplakate mit Störer-Aufklebern, die auf die Verlegung bzw. Absage der Veranstaltungen verweisen. Ein leider gewohnter Anblick im zweiten Corona-Winter …
Über Reiner Pfisterer
Reiner Pfisterer, geboren 1967 im württembergischen Bietigheim, ist schon seit den 90-er Jahren einer der etabliertesten deutschen Musik- und Festival-Fotografen. Er arbeitete für alle wichtigen Musikmagazine und exklusiv für Bands wie Metallica, Amy McDonald, The Queens of the Stone Age oder Die Toten Hosen. Kultur und vor allem die Kulturmenschen betrachtet er dabei niemals isoliert – mit seinen Bildern will er immer auch gesellschaftliche und soziale Anliegen transportieren. Im Jahre 2019 wurde er für seine Verdienste um die Fotografie in die Deutsche Gesellschaft für Photographie berufen.
Mit welcher Geduld und Passion er die Kultur begleitet, belegen zwei Fotobände und echte Herzensprojekte: sein Porträt des Stuttgarter Kammerorchesters, das er 10 Jahre lang auf Tourneen in 16 Ländern weltweit begleitete, sowie die Hommage an die inklusive Brenz Band, deren Motto für die pure Lust an der Musik steht, die auch Reiner Pfisterer antreibt: „Wir spielen euch in Grund und Boden.“