Wörtlich übersetzt am ehesten mit „Unordnung“ wiederzugeben, steht Balagan für das ursprüngliche Volkstheater: ein stürmisches, wildes Jahrmarkt-Spektakel, auf der Wanderschaft von Stadt zu Stadt wie die historische Commedia dell’arte.
Das Szenario, das Helena Waldmann dafür entworfen hat, ist an Originalität kaum zu toppen. In einer Mischung aus Casting Show, partizipativer Tanz-Performance und einem Wagenrennen à la Ben Hur – am Start sind drei Kult-Lastendreiräder Piaggio Ape – inszeniert sie ein Vergnügen für alle Sinne im öffentlichen Raum und unter freiem Himmel.
BALAGAN! Helena Waldmanns Pop-up-Fest für Wagenlenker und alle, die dabei sind kann man nach der ersten Station in Aschaffenburg nun auch in Ulm erleben. Die Produktion ist im besten Sinne ortsspezifisch – und das nicht nur, weil sie auf gleich drei markante Ulmer Plätze zugeschnitten ist. Noch entscheidender: Das BALAGAN!-Ensemble besteht aus lokalen Akteur*innen, die Lust haben auf zwei Wochen Probenarbeit mit Helena Waldmann – und auf verrückte Auftritte in ihrer Stadt.
BALAGAN! in Ulm
Helena Waldmanns Pop-up-Fest für Wagenlenker und alle, die dabei sind
Premiere am Freitag, 23. Juli 2021 beim ROXY
Samstag, 24. Juli 2021 Kornhausplatz / Sonntag, 25. Juli 2021 Weinhof
jeweils Doppelvorstellungen um 18:30 Uhr & 20:00 Uhr
Proben vom 9. bis 22. Juli 2021
Idee, Konzept & Inszenierung: Helena Waldmann
Musikauswahl und DJ: Daniel Stenger
Performance: Akteur*innen aus der BALAGAN!-Stadt Ulm
Produktionsassistenz: Raphaëlle Polidor, Ruth Weigel
Eine Produktion von Helena Waldmann und ecotopia dance productions
in Koproduktion mit dem ROXY und dem TanzLabor Ulm
unterstützt durch die Stadt Ulm
BALAGAN! im Programm Kultursommer 2021 wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) mit Mitteln aus NEUSTART KULTUR.
Mit dem eigenen Körper im Hier und Jetzt zurück in der Gemeinschaft. Die Vision hinter der neuesten Produktion von Helena Waldmann klingt wie der Inbegriff all dessen, was wir in der Pandemie fast schon verlernt haben: uns öffentlich zeigen und sichtbar werden, aufeinander hören, uns koordinieren und zu einer Choreographie zusammenfinden. Um das wieder möglich zu machen, adaptiert die international bekannte Tanzregisseurin ein Format, das interessante Spuren in der Theatergeschichte hinterlassen hat: Balagan. In dieser anarchischen, ungezügelten Form des Theaters sah die russische Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihr Ideal des authentischen Volkstheaters verwirklicht. Mehr noch, Balagan war als Statement gegen die aufkeimende kommunistische Orthodoxie gedacht, die auch für die Künste enge Grenzen definierte. Helena Waldmann ist der Überzeugung: In Zeiten der Kontrollen und der pandemischen Reglementierung brauchen wir Balagan mehr als je zuvor!
Doch wie sieht ein BALAGAN!-Erlebnis heute aus? In wenigen Worten: überraschend, laut, unberechenbar, fröhlich, knatternd, bunt. Und konkret: Nach den extrem positiven Erfahrungen mit der Produktion Gute Pässe Schlechte Pässe von 2017 wird Helena Waldmann erneut mit lokalen Profis, Semiprofis und Laien arbeiten.
Die Bühne für BALAGAN! besteht aus einer „Piazza“ im historischen Stadtzentrum – und den Ladeflächen von drei Piaggio Ape-Lastenrädern. Ausgestattet mit Lautsprechern, umkreisen die markanten „Schlaglochsucher“ den Platz und beschallen ihn mit Blasmusik in mitreißenden Techno-Rhythmen. In festlicher Kleidung und geschmückt warten die BALAGAN!-Akteur*innen auf ihren Moment im Rampenlicht. Nacheinander besteigen sie die Ladefläche, übernehmen die „Zügel“ und fahren eine triumphale Runde. In der Mitte des Kreises stoßen immer mehr „Wagenlenker“ dazu. Diese Gemeinschaft, wie ad hoc zusammengestellt, agiert vereint im öffentlichen Raum, fragt nach der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und erweckt einen Tanz zum Leben: den Tanz der eigenen Haltung.
BALAGAN! in Aschaffenburg. Premiere am 1. Juli 2021. Fotos Christian Lauf