„Dieter Jung is a light magician, a holographic magician, a peace magician.“ (Otto Piene) Licht, Raum und Bewegung stehen im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit von Dieter Jung (* 1941). Er setzt sich seit Mitte der 1960er-Jahre mit der bildnerischen Wirkweise von Farbe und Licht, Fläche und Raum auseinander. Um den flüchtigen Moment optischer Phänomene sichtbar zu machen, bedient sich Dieter Jung gleichermaßen analoger wie digitaler Techniken. Malerei, Zeichnung, Druckgrafik und Holografie befinden sich bei ihm in einem ständigen Dialog. Mit der Ausstellung Dieter Jung. Between and Beyond würdigt das ZKM das umfangreiche Werk des in Berlin lebenden Künstlers, der seit Gründung eng mit dem ZKM verbunden ist. Neben Hologrammen, holografischen Mobiles und holografischen Lichträumen umfasst die Ausstellung Malereien, Zeichnungen und Grafiken des Künstlers.
Durch die rasante Entwicklung der digitalen Technologien ist heute die Holografie erneut in Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Gegenwärtig arbeiten Forscher an der Entwicklung von holografischen Displays, mit denen sich unsere Art zu arbeiten, zu lernen und zu interagieren grundlegend verändern wird. Gerade die neuesten Entwicklungen aus der Photonik, bei denen einzelne Lichtteilchen zu Informationsträgern werden, revolutionieren die technischen Voraussetzungen der Holografie in einem ungekannten Ausmaß. In absehbarer Zeit könnten Holografien frei im Raum als dreidimensionale Mixed-Reality-Anwendungen projiziert werden und damit die Bindung der holografischen Darstellung an ihre Trägermaterialien kappen. Mit dem Schweben des Bildes im Raum würden so letztendlich die Vorstellungen von Dieter Jung und anderen Pionieren der Holografie eingelöst, an denen diese mit ihren Werken seit den 1960er- und 1970er-Jahren gearbeitet haben.
Ziel der Ausstellung im ZKM ist es, die strukturellen Zusammenhänge und Interdependenzen zwischen den unterschiedlichen Arbeitssträngen von Dieter Jung deutlich zu machen und die Holografien und holografischen Mobiles des Künstlers im engen Austausch mit seinen Gemälden und Zeichnungen zu zeigen. Vor dem Hintergrund der aktuellen technologischen Entwicklungen und des verstärkten Interesses an holografischen Techniken soll damit seine Arbeit in ihrer Bedeutung für die Mediengeschichte neu bewertet werden.
Dieter Jung – führender Protagonist der holografischen Kunst
Das Interesse an dem Prozess der visuellen Wahrnehmung, der doppelten Eigenschaft des Lichts als Partikel und Welle und dem technischen Aufbau von Bildern begleiten Jung seit seinem Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Bereits in ersten malerischen Arbeiten setzt er sich mit der Darstellung von Licht und Reflexionen auseinander. Anfang der 1970er-Jahre malt er die an Interferenzstrukturen erinnernden Kopfbilder von bekannten und unbekannten Personen, bei denen die Gesichter von Sigmund Freud, Ezra Pound oder Friedrich Nietzsche in sich horizontal und vertikal durchdringenden Schwingungslinien eingebettet sind, die für Jung zunächst vor allem Bezüge zu den Geflechten der Webkunst und dem Prinzip von Kette und Schuss in den Bildteppichen der Renaissance herstellten.
Nach einem Studium der Holografie an der New Yorker School of Holography entwickelt Jung in Zusammenarbeit mit führenden Wissenschaftlern ein Werk, das die technischen und gestalterischen Möglichkeiten der 1948 durch den Physiker Dennis Gabor eher zufällig entdeckten Holografie entscheidend erweiterte und ihn international zu einem der führenden Protagonisten der holografischen Kunst werden ließ. Für seine ersten Hologramme verwendet Jung 1977 im Central Park in New York gefundene Federn, die in der holografischen Aufnahme als filigrane Objekte im Raum schwebend ihre Schatten werfen. Es folgt die Übertragung von Gedichten von Hans Magnus Enzensberger in das Medium der Holografie, für die damals aufwendige Modelle gebaut werden mussten, um sie auf einer Drehscheibe zu filmen. In den Serien Into the Rainbow, Gegenwartsräume und Inbetween schafft Dieter Jung Anfang der 1980er-Jahre mittels der von Stephen A. Benton entdeckten holografischen One-Step-Technik abstrakte Farbräume, bei denen die reinen Farben des Regenbogens frei schwebend im Raum entstehen. Als Research Fellow am von Otto Piene geleiteten Center for Advanced Visual Studies (CAVS) am MIT in Cambridge, MA standen Dieter Jung von 1985 bis 1988 umfangreiche technischen Möglichkeiten zur Verfügung, mit denen er neue holografische Verfahren zur Ablösung des holografischen Bildes von seiner objekthaften Vorlage erproben konnte. Im engem Austausch mit Wissenschaftlern entstehen dort erste computergenerierte Bewegungshologramme, bei denen für die damalige Zeit ungeheure Datenmengen bewältigt wurden. Im Zyklus Light Mill (Motion in Space ¬– Space in Motion) rotieren in verschiedenen Geschwindigkeiten diaphane, sich gegenseitig durchdringenden Farbflächen um drei Achsen. Indem sich der Betrachter vor dem Hologramm bewegt, aktiviert er die freischwebenden Bildsequenzen im Raum und wird somit in die Entstehung des Werks aktiv mit einbezogen. In seinen in jüngster Zeit entstandenen Lichträumen und holografischen Mobiles überträgt Jung das Spiel mit optischen Phänomenen des Lichts mittels Linsen und Spiegeln in den realen Raum, der dadurch für den Betrachter in seinen physischen Gegebenheiten in Frage gestellt wird.