Cemile Sahin ist Autorin, Künstlerin und Filmemacherin. In ihrem Schaffen sind Sprache und Bild nicht voneinander zu trennen – sie arbeitet mit den Medien Film, Fotografie, Skulptur, Installation und schreibt Romane. Dabei interessiert sie besonders, wie Geschichtsschreibung funktioniert und wie Bilder instrumentalisiert werden, um zu manipulieren.
Zudem hat sie sich ausführlich mit der Ausübung und Darstellung von (Staats-)Gewalt auseinandergesetzt, unter anderem in ihren Romanen „TAXI“ (2019) und „ALLE HUNDE STERBEN“ (2020).
Der in der Berlinischen Galerie gezeigte Film „Spring“ [Frühling] (43 Min.) ist der erste Teil ihres neuen Projekts „Four Ballads for my Father“.
Ein Hauptmotiv ist Wasser – mit einem Fokus auf die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des sogenannten Südostanatolienprojekts „GAP“. Dieses riesige Infrastrukturprogramm soll das Wasser der Flüsse Euphrat und Tigris durch zahlreiche Staudämme und Wasserkraftwerke für wirtschaftliche Zwecke „erschließen“. Für die in der Region lebenden Menschen entstehen dadurch sowohl ökologische als auch soziale Probleme. Das Projekt führt zudem zu Spannungen mit den Nachbarstaaten Syrien und Irak, die Sorge haben, dass sie durch die Türkei von der Wasserversorgung abgeschnitten werden.
Sahin erzählt in ihrem Film von einer fiktiven kurdischen Familie, deren Heimat durch den Bau eines Staudamms geflutet wurde. In Episoden werden Ausschnitte aus dem Leben verschiedener Familienmitglieder gezeigt. Wir erfahren von ihrem Alltag und ihren Sorgen – und von Hasan, Ehemann und Vater, der mutmaßlich durch Polizeigewalt ums Leben kam. Dabei zitiert Sahin verschiedene Genres – vom Dokumentarfilm über den politischen Thriller und Film Noir bis hin zur Soap Opera oder Telenovela. Das verleiht der Arbeit trotz der Auseinandersetzung mit struktureller Gewalt und patriachalen Machtstrukturen eine große Leichtigkeit und einen lakonischen Witz, die Lust auf die Fortsetzung machen.
Die Filmemacherin
Cemile Sahin wurde 1990 in Wiesbaden geboren. Sie studierte am Central Saint Martins College of Arts in London und an der Universität der Künste Berlin. Für „TAXI“ erhielt sie die Alfred-Döblin-Medaille, für ihre künstlerische Praxis den Ars Viva-Kunstpreis.