Fast wie eine Liebesgeschichte: Nach zwei stürmisch gefeierten, im Handumdrehen ausverkauften Gastspielen im Jahr 2015 und zuletzt im Advent 2017 darf man wohl von einer ganz besonderen Beziehung des Berliner Publikums zum Nederlands Dans Theater (NDT) sprechen. Der Grund liegt nicht allein in der unverkennbaren künstlerischen Klasse der weltweit tourenden zeitgenössischen Kompanie. In der von Konzepttanz und Ballett geprägten Kulturszene der Hauptstadt scheint ein großer Bedarf für genau den Stil zu bestehen, den das NDT buchstäblich verkörpert: für das physisch und technisch an die Grenzen gehende Tanzen.
Im Herbst packen die Niederländer nun erneut die Koffer für Berlin. Allerdings machen sich diesmal andere Tänzerinnen und Tänzer auf die Reise: die jungen Wilden vom Nederlands Dans Theater 2. Den offiziellen Titel „Junior-Company“ sollte man angesichts der umwerfenden Virtuosität dieses Ensembles besser nur auf die Altersangaben in den Pässen beziehen …
Das letzte Gastspiel des NDT 2 in der deutschen Hauptstadt liegt inakzeptable 18 Jahre zurück. Höchste Zeit also für ein Revival mit einem ebenso kontrastreichen wie dynamischen Quartett – allesamt Berlin-Premieren, zwei davon auch deutsche Erstaufführungen: Zu sehen sind mutual comfort von Edward Clug, Wir sagen uns Dunkles von Marco Goecke, dem langjährigen Assoziierten Choreographen des NDT, sowie zwei Stücke von den NDT-Hauschoreographen Sol León und Paul Lightfoot, Subtle Dust und Sad Case.
Berlin-Premiere. Der langjährige Ballettchef des Slowenischen Nationaltheaters Maribor ist ein gefragter Mann. Mit Preisen geradezu überschüttet, choreographiert Edward Clug mittlerweile weltweit für die ganz großen Häuser. Mit mutual comfort aus dem Jahr 2015 gab er seine Visitenkarte beim NDT ab – und es machte sofort Klick. Clugs scharf definierte, eigenwillige Bewegungssprache und coole, leise Ironie waren wie geschaffen für die jungen Tänzer. Mittlerweile hat der Vielbeschäftigte nachgelegt und zwei weitere Arbeiten für die Den Haager kreiert. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen: Er wird der Company noch lange verbunden bleiben …
Deutschland-Premiere. Der Titel dieses Stücks, ein Zitat aus Paul Celans Gedicht Corona, könnte sein gesamtes Schaffen umschreiben. Und doch scheint Marco Goecke mit Wir sagen uns Dunkles noch weiter in sein zerrissenes Inneres zu schauen, als man es von ihm ohnehin gewohnt ist. Zur herzerschütternden Musik von Schubert, Schnittke und Placebo verlangt er den fabelhaften jungen Tänzerinnen und Tänzern nicht nur technisch alles ab. Die Intensität und Tiefe dieser Arbeit ist sicherlich auch ein Ergebnis der großen Vertrautheit zwischen dem Assoziierten Choreographen des NDT und dem Ensemble. Dazu Goecke: „Die Tänzer verstehen mich unmittelbar. Es gibt keine Grenzen, sie wollen die Herausforderung.“ Der gemeinsame Blick in die Abgründe des Tanzens hat sich gelohnt.Wir sagen uns Dunkles wurde nicht nur von Publikum und Kritik einhellig gefeiert, sondern auch für den Prix Benois de la Danse 2018 nominiert.
Berlin-Premiere. Der augenzwinkernde Humor dieses Stücks scheint schon im Titel auf. Denn Sad Case ist eines ganz bestimmt nicht – traurig. Kein Wunder. Denn dieses Stück von 1998 entstand unter der Sonne Mexikos und zu einer Zeit, als die NDT-Hauschoreographen Sol León & Paul Lightfoot ihre Tochter erwarteten. Angetrieben von den feurigen Rhythmen eines – na klar! – mexikanischen Mambos, eröffnen die beiden ihren jungen Tänzern ein wunderbares Spielfeld. Und die nutzen die Chance, um sich nach Herzenslust auszutoben. Sad Case ist witzig, anarchisch, skurril – und höllisch schwierig zu tanzen. Der puren Lebensfreude und ansteckend guten Laune, die dieses Stück verbreitet, kann sich kein Publikum entziehen.
Deutschland-Premiere. Vollkommen anders in Ton und Intention präsentiert sich der zweite und brandneue Beitrag von Sol León & Paul Lightfoot zu dem Berliner Programm. Uraufgeführt im März 2018, dreht sich in Subtle Dust alles um Transformation. Die Grundlage für die Choreographie sind Transkriptionen oder Interpretationen von J. S. Bach. Die Schönheit und Reinheit dieser „transformierten“ Musik spiegelt sich in den weiten tänzerischen Bögen und der geschmeidigen Raffinesse der Bewegungen. Ein Fest für Augen und Ohren zugleich. León/Lightfoot beschreiben Subtle Dust als den Versuch, im Tanz eine Symbiose zwischen Instinkt und Intellekt zu schaffen – die Übertragung von Abstraktion auf acht lebendige, atmende, virtuose Körper.
Zum Nederlands Dans Theater
Das Nederlands Dans Theater (NDT) unter der künstlerischen Leitung von Paul Lightfoot zählt zu den weltweit besten Kompanien für zeitgenössischen Tanz. Die künstlerische Heimat der Company ist Den Haag – aber dank seiner extensiven internationalen Tourtätigkeit erreicht das NDT mittlerweile mehr als 150.000 Zuschauer in Europa, den USA, Asien und Australien. Seit der Gründung im Jahr 1959 hat sich die eigenwillige Company ein Repertoire von über 600 Balletten aufgebaut und kollaboriert mit Meisterchoreographen wie Jiří Kylián oder Hans van Manen, den renommierten Hauschoreographen Sol León und Paul Lightfoot, den Assoziierten Choreographen Crystal Pite und Marco Goecke oder hochkarätigen Gästen wie Johan Inger, Medhi Walerski, Alexander Ekman, Gabriela Carrizo, Franck Chartier, Hofesh Shechter, Edward Clug sowie Sharon Eyal & Gai Behar.
Die Hauptkompanie NDT 1 besteht aus 28 phänomenalen Tänzerinnen und Tänzern im Alter zwischen 20 und 39 Jahren. Obwohl sie sich in ihrer Ausbildung teils stark unterscheiden, verfügt jede und jeder Einzelne über herausragende Solo-Qualitäten. Die NDT-Tänzer sind berühmt für ihre Virtuosität, hervorragende Technik und unvergleichliche Ausdrucksfähigkeit. 1978 gründete das NDT die Nachwuchs-Kompanie NDT 2. Über die Dauer von drei Jahren können 16 klassisch ausgebildete junge Talente zwischen 17 und 25 beweisen, was in ihnen steckt – und sich auf eine Karriere bei weltweiten Top-Kompanien vorbereiten. Die NDT-Basis in Den Haag gilt als Geburtsstätte für innovativen Tanz. Die Zusammenarbeit mit aufstrebenden Choreographen ist hier ebenso selbstverständlich wie die Offenheit für maximale stilistische Vielfalt und interdisziplinäres Arbeiten. Schließlich hat das NDT immer das große Ganze im Blick: seinen Beitrag zu leisten für die Zukunft des Tanzens.
In der Spielzeit 2018/2019 präsentiert das NDT nicht nur schwindelerregende elf Uraufführungen von Hofesh Shechter, dem Assoziierten Choreographen Marco Goecke, Alexander Ekman, Phillip Chbeeb, Bryan Arias, Felix Landerer und Imre van Opstal & Marne van Opstal. Auch die Hauschoreographen Sol León & Paul Lightfoot feiern mit einem speziellen Holland-Programm 30 Jahre choreographische Partnerschaft. Neben zahlreichen Vorstellungen in den Niederlanden gastiert das NDT an bedeutenden Häusern in der ganzen Welt, unter anderem in New York, Mexico, Singapur und Istanbul.
Nederlands Dans Theater 2 im Haus der Berliner Festspiele
Donnerstag, 11. Oktober um 20:00 Uhr / Freitag, 12. Oktober um 20:00 Uhr / Samstag, 13. Oktober um 20:00 Uhr / Sonntag, 14. Oktober Matineevorstellung, Uhrzeit wird noch bekannt gegeben / Sonntag, 14. Oktober um 20:00 Uhr
Karten-Informationen
Der Vorverkauf beim Ticket Office der Berliner Festspiele startet am 17. August 2018.
Montag bis Freitag von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr, Samstag von 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr
Tel. 030-25489-100, ticketinfo@berlinerfestspiele.
Mehr Informationen: www.ndt.nl
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