Seit dem 4. Jahrhundert nach Christus gibt es die georgischen „characters“ – die 33 kunstvoll geschwungenen Buchstaben des weltweit einzigartigen Alphabets, das kürzlich zum UNESCO-Welterbe erklärt wurde. Ebenso traditionsreich, vielfältig und einzigartig wie die Buchstaben ist auch das Land selbst, das sich 2018 als Gastland der Frankfurter Buchmesse präsentiert.
Unter dem Motto „Georgia – Made by Characters“ möchte Georgien nicht nur die Geschichten und Werke vorstellen, die in dieser Schrift niedergeschrieben wurden, sondern auch die Charaktere, die dahinterstehen: Autoren, Künstler – die Georgier selbst. Heute stellte Georgien auf der Buchmesse sein Konzept für den Ehrengastauftritt 2018 vor und gab einen ersten Einblick in das umfangreiche Literatur- und Kulturprogramm. „Georgien ist eine der ältesten Kulturnationen der Welt und verfügt über eine für solch ein kleines Land unglaubliche Fülle an Kulturschätzen“, so Mikheil Giorgadze, Minister für Kultur und Denkmalschutz Georgiens. „Wir freuen uns, dass wir 2018, wenn Georgien den 100. Jahrestag seiner Unabhängigkeit feiert, in Deutschland unsere einzigartige kulturelle Identität zeigen können.
Wir wollen ‚Georgia – Made by Characters‘ zu einer Feier der georgischen Literatur, Kultur und Kreativität machen.“ Einen Eindruck von der großen Kulturnation vermitteln bereits die Veranstaltungen, die derzeit im Rahmen des Deutsch-Georgischen Jahres 2017 stattfinden. „Georgien blickt auf eine 15 Jahrhunderte lange literarische Tradition und eine bewegte Geschichte zurück. Dieses kulturelle Erbe prägt und inspiriert zeitgenössische Autorinnen und Autoren auch heute noch. Auf der Frankfurter Buchmesse 2018 werden unsere Besucherinnen und Besucher aus aller Welt die lebendige Literaturszene des kaukasischen Landes entdecken“, sagte Juergen Boos, Geschäftsführer der Frankfurter Buchmesse. Unter der sowjetischen Besatzung zwischen 1921 bis 1991 wurde georgische Literatur nur sehr sporadisch übersetzt. Seit der Unabhängigkeit gelingt es der georgischen Literatur wieder, ihre große literarische Tradition, die so reich an Genres ist, aufzunehmen und gleichzeitig ihre eigene Identität auf eine ganz andere und experimentelle Weise zu etablieren. Seit 2010 wurden bereits mehr als 65 georgische Bücher mit Unterstützung des Georgian National Book Centers in deutschsprachigen Ländern veröffentlicht. Im Rahmen des Ehrengastauftritts sind weitere 90 Neuübersetzungen in deutscher Sprache geplant. Die Palette reicht von klassischen bis zu zeitgenössischen Autorinnen und Autoren, von Erzählungen, georgischen Epen und Anthologien georgischer Poesie über Sachbücher, Kinder- und Jugendliteratur, Krimis bis hin zu einer Sammlung von kritischen Essays.
Georgien verfügt über eine bis ins 5. Jahrhundert zurückreichende literarische Tradition. Die Literatur ist immens abwechslungsreich: eine spannende Synthese von orientalischen und abendländischen Einflüssen, offen für Innovationen und zugleich autark. Eines der bedeutendsten literarischen Werke Georgiens ist das Epos Der Recke im Tigerfell von Schota Rustaweli (1172–1216). Die moderne georgische Literatur basiert auf den Erfahrungen und Prüfungen vieler Jahrhunderte. „Sie hat sich Schritt für Schritt neben der modernen Weltliteratur entwickelt und vermittelt ein klares Bild von dem Charakter der Nation, die sie hervorgebracht hat“, erklärte Medea Metreveli, Projektleiterin des Ehrengasts. „Wir wollen als Ehrengast unsere Antwort auf die Herausforderungen der modernen Welt präsentieren – die Antwort eines Landes, das so klein ist wie unseres und das seine historischen und kulturellen Erfahrungen mit der ganzen Welt teilen möchte.“
Zu den derzeit bekanntesten Schriftstellern zählt Aka Morchiladse, der meistgelesene Gegenwartsautor Georgiens. Allein fünf seiner Bücher werden im Zuge des Ehrengastauftritts auf dem deutschen Markt erscheinen. Zaza Burchuladze hat mit seinem Buch Touristenfrühstück bereits in Deutschland für Aufmerksamkeit gesorgt. Im nächsten Jahr kann sich das deutsche Publikum auf einen neuen Roman des großen Provokateurs freuen. Die hierzulande wohl bekannteste Autorin ist Nino Haratischwili. Die in Hamburg lebende Georgierin, die ihre Bücher in deutscher Sprache verfasst, hat mit ihrem vielbeachteten Roman
Das achte Leben (Für Brilka) interessante Einblicke in die georgische Geschichte und Lebensart vermittelt. Im Ehrengastauftritt Georgiens sieht sie eine große Chance: „Es könnte sich lohnen, die europäische Literatur um die georgische zu erweitern, weil die Vielfalt, die Koexistenz von Verschiedenem als Idee genau das ist, was für mich Europa ausmacht und was heutzutage leider oftmals in Frage gestellt wird“, sagte sie bei der heutigen Vorstellung des Ehrengastkonzeptes. Im nächsten Jahr wird die georgische literarische Szene in ihrer ganzen Vielfalt in Frankfurt vertreten sein und bei einer Vielzahl an Lesungen, Workshops und Konferenzen spannende Einblicke in die georgische Literatur, Kultur und Lebensart geben. Begleitet wird der Gastlandauftritt durch ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Ausstellungen, Musik-, Theater- oder Filmvorführungen.
Dieses vereinigt das Beste aus Urgeschichte, antiker und zeitgenössischer Kunst, Fotografie, Architektur, Design, Typografie und Illustration, etwa eine Ausstellung zu den Überresten der 1,8 Millionen Jahre alten Dmanisi-Menschen sowie eine Schau mit archäologischen Funden und antiken Kunstwerken rund um den Mythos der Argonauten. Auch Filmfreunde können sich freuen: Auf der Frankfurter Buchmesse 2018 lädt das Georgische Nationale Filmzentrum zu 15 Filmvorführungen und Diskussionen. Rund 500 Lesungen und Events im deutschsprachigen Raum stimmen ab jetzt auf den Ehrengastauftritt ein. 70 Schriftsteller aus Georgien werden mit ihren Büchern in bis zu 30 Städte in Deutschland, der Schweiz und Österreich reisen und an rund 20 literarischen Festivals wie der lit.COLOGNE, dem Harbour Front Literaturfestival Hamburg sowie den Literaturtagen Zofingen teilnehmen.
Bereits auf der diesjährigen Buchmesse startet Georgien seinen Kulturmarathon und gibt einen Vorgeschmack auf das kommende Gastland: bei der Gastrollenübergabe mit der britisch-georgischen Sängerin Katie Melua, mit Diskussionen zum Deutsch-Georgischen Jahr 2017 und einer Reihe von Veranstaltungen, bei denen georgische Autorinnen und Autoren und Kritiker mit deutschen Moderatoren sowohl über die klassische georgische Literatur als auch über die neuesten und modernen Publikationen sprechen, etwa Lasha Bugadze, Zurab Karumidze, Salome Benidze, Nestan Nene Kvinikadze und Beka Adamaschwili.