Buchrezension | Papierdrache bleib bei uns

„Die Kinder einer kleinen Stadt beschließen, gemeinsam einen Papierdrachen zu bauen. Davon versprechen sie sich viel Freude und eine gute Zeit. Auf dieses euphorische Spiel folgt jedoch eine herbe Enttäuschung. Der riesige Papierdrache, den die Kinder in den Himmel steigen ließen, möchte nicht mehr zu ihnen herunterkommen. Er verliert die Bodenhaftung, verfällt der Arroganz der Höhe und vergisst die wichtigste Regel des Zusammenlebens: respektvolles Miteinander. 

In vielen Ländern unserer Welt ereignen sich ganz ähnliche Geschichten. Nachdem sich Menschen für eine bestimmte Person, eine bestimmte Bewegung entscheiden – mit der Hoffnung auf mehr Frieden, mehr Freiheit und ein besseres Miteinander – trennt sich diese neue Macht von ihnen wie der Papierdrache von den Kindern. Diese Geschichte stammt aus meinem Heimatland, dem Iran.“ (Vorwort, Mehrdad Zaeri)

Mit dem Buch „Papierdrache bleib bei uns“ schufen der iranische Autor Seyyed-Ali Shodjaie sowie der Illustrator Mehrdad Zaeri gemeinsam mit seiner Frau Christina Laube auf gerade einmal 52 Seiten eine Welt für Kinder und Erwachsene. Neben einem bewusst kindgerechten narrativen Text besticht das Buch durch aufwendig erstellte Illustrationen. Alle Szenen, Häuserzüge, die Kinder sowie ihren Drachen, entwickelten und schnitten der iranische Illustrator zusammen mit seiner Frau von Hand aus Papier. In liebevoller Kleinarbeit entstanden so eine kleine Stadt, wie man sie für gewöhnlich aus der analogen Trickfilm-Entwicklung kennt. Die freischaffende Fotografin und Autorin Christina Laube erweckte mit gekonnt atmosphärisch gesetztem Licht jede einzelne Szene zum Leben und fotografierte diese als Illustration für das gemeinsame Buch. So entstanden 11 liebevoll inszenierte Abbildungen – die Geschichte der Kinder einer kleinen Stadt.

Letztlich ist es nebensächlich, ob man das Buch „Papierdrache bleib bei uns“ als Kinderbuch oder als eines für Erwachsene versteht. Vielmehr ist es für den Autor Seyyed-Ali Shodjaie eine generelle metaphorische Kritik an alle Regime dieser Welt. 1985 verließ der aus Isfahan stammende und damals 14jährige Illustrator Zaeri den Iran über die ehemalige DDR in die Bundesrepublik Deutschland. Ersetzt man das Wort Papierdrache durch Ideologe oder Populist, so liest sich das Buch wie ein Porträt unserer Tage in und außerhalb Europas. Wie viel Leine geben wir den Ideologen und Populisten unserer Zeit und wie hoch haben wir sie bereits fliegen lassen? Das handliche Buch „Papierdrache bleib bei uns“ regt mit einer kleinen, einfachen Geschichte zum Nachdenken und Hinterfragen unserer Gegenwart an, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu erheben. Ein sehr lesenswertes Buch mit Tiefgang für alle Altersklassen.

Erschienen ist das Buch als vierter Band der Edition Mehrdad Zaeri im Verlag Ute Fuchs und ab Oktober 2017 erhältlich.

 

Text: ZeitBlatt / Andre Biakowski & Wolfgang Straßer
Photo / Illustrationen: Mehrdad Zaeri & Christina Laube