Die Konzerthaus-Initiative Stuttgart präsentiert neue standortunabhängige Konzeption.
Der heutige Tag hat die Konzerthaus-Initiative Stuttgart hoffentlich ein gutes Stück vorangebracht! Es gibt spannende Neuigkeiten in Form einer ausgearbeiteten Nutzungskonzeption – druckfrisch, substantiell und standortunabhängig. Deren Kern stellte der Vorstand um Gernot Rehrl, Felix P. Fischer und Ralf Püpcke am Vormittag der Presse vor, am Nachmittag dem Ausschuss für Kultur und Medien des Stuttgarter Gemeinderats. Was in einem intensiven partizipativen Prozess der Akteure entstand, kann man nun in einer Broschüre nachlesen, gebündelt und aufbereitet in Zusammenarbeit mit dem renommierten Münchner Beratungsunternehmen actori.
Es ist die Vision von einem kulturellen Kraftwerk und Herzstück mitten in Stuttgart: ein nachhaltiges städtebauliches Vorzeigeprojekt, ganztägig geöffnet für alle Generationen und Schichten. Eine Bildungseinrichtung ebenso wie ein Produktionszentrum und eine Spielstätte für ein exquisites Konzertprogramm sämtlicher musikalischen Genres von Klassik bis HipHop.
Das besondere Augenmerk gilt den veränderten Bedingungen für Kultur in der Folge der anhaltenden Pandemie, aber auch des Klimawandels. Denn schon jetzt zeichnen sich Mega-Trends ab, die ein Konzerthaus als Institution noch notwendiger machen. Dazu gehört die Strukturkrise der Innenstädte, die wieder an Attraktivität gewinnen müssen, oder die erwartete Abnahme der Tourneetätigkeit internationaler Orchester – die entsprechend zu einem erweiterten Programmangebot vor Ort führen wird.
Konzerthaus Stuttgart: Die Ausgangslage
In Stuttgart fehlt der Raum, fehlen Räume für die Musik – das ist schon lange Konsens der Akteure vor Ort. Besonders schmerzt der Mangel an einer zeitgemäßen Spielstätte von internationaler Strahlkraft – zumal im Vergleich mit anderen, glücklicheren Großstädten. Seit Mitte der 90-er Jahre sind in Europa über 60 Konzerthäuser entstanden, ausnahmslos mit äußerst positiver Wirkung auf die jeweilige Stadtentwicklung und das kulturelle Leben.
Die angestammte Konzertstätte Stuttgarts, die Liederhalle von 1956, ist von hohem architektonischem Rang, entspricht aber naturgemäß nicht mehr den heutigen Anforderungen an Technik und Infrastruktur. Eine dringend notwendige Modernisierung und Erweiterung ist aus Denkmalschutzgründen nicht möglich – sehr wohl aber die Weiternutzung parallel zu einem modernen neuen Konzerthaus. Der große Bedarf für ein solches duales Modell ist unstrittig.
Standortunabhängige Nutzungskonzeption: Enstehung und grundlegende Ziele
Im Sommer 2020 begann ein dreistufiger Prozess, bei der die Module Umfeld-, Markt- und Wettbewerbsanalyse, Nutzungskonzeption sowie Raum- und Funktionsplanung nacheinander exploriert und analysiert wurden. Das Münchner Beratungsunternehmen actori stützte sich dabei auf Workshops und Interviews mit nahezu allen relevanten Stuttgarter Musikakteuren, darunter die vier Stuttgarter Orchester (SWR Symphonieorchester, Stuttgarter Philharmoniker, Staatsorchester Stuttgart, Stuttgarter Kammerorchester), Veranstalter (SKS Michael / Erwin Russ GmbH, StuttgartKonzert Veranstaltungs GmbH, Music Circus Concertbüro GmbH, Opus GmbH / Jazzopen, Forum der Kulturen e.V., Kulturgemeinschaft Stuttgart e.V.), Musikinstitutionen (Internationale Bachakademie, Internationale Hugo-Wolf-Akademie, Musik der Jahrhunderte), Bildungseinrichtungen (Stuttgarter Musikschule, Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst), die freie Szene (Popbüro Region Stuttgart) sowie viele weitere Stakeholder (unter anderem Kulturamt, Liederhalle, Stuttgart Marketing).
Die zentralen Anforderungen liegen auf der Hand. Essentiell sind Modernität und Modularität des Gebäudes: weg von einer Konzertspielstätte nach dem traditionellen Muster der Liederhalle, hin zu einem Haus, das Performance, Musikvermittlung und Begegnung gleichermaßen beherbergt und darüber hinaus Möglichkeiten für mehrere Veranstaltungen pro Tag bietet.
Konzerthaus Stuttgart: Ein Magnet in der Innenstadt
Konzipiert als offenes Musikzentrum für die Stadtgesellschaft, soll das Konzerthaus Aufenthaltsqualität pur ausstrahlen. Dazu gehören eine attraktive Gastronomie für Publikum, Künstler*innen und Flaneure ebenso wie professionelle Work Spaces, ein Musik-Shop und ein großzügiger Foyer-Bereich mit integrierter Bühne und Platz für Ausstellungen. Die angepeilten Öffnungszeiten von 9:00 Uhr morgens bis Mitternacht sind nicht nur publikumsfreundlich, sondern logische Konsequenz des Ganztagsbetriebs von Produktion und Proben über Bildungsangebote bis hin zu abendlichen Konzerten und Veranstaltungen. Explizit mitgedacht ist zudem eine exzellente digitale Ausstattung und moderne technische Infrastruktur, die einen reibungslosen Betriebsablauf garantiert und die Voraussetzung für virtuelle Formate und Streaming darstellt.
Konzerthaus Stuttgart: Neue Klangräume
Draußen ein architektonischer Hingucker, innen ein Ort der Begegnung und der Exzellenz. Über das konkrete „Wo“ des Konzerthauses wird später entschieden. Das „Wie“ ist dank der nun vorliegenden Konzeption greif- und vorstellbar geworden. Die Nutzungsfläche ist auf ca. 18.500 m² angesetzt: 11.000 m² oder 60 % für Bühnen und Backstage-Bereich, 6.400 m² oder 35 % für die Begegnung und 1.000 m² oder 5 % exklusiv für die Musikvermittlung, die den Performance-Bereich selbstverständlich mitnutzen kann.
Die vorgeschlagene innere Aufteilung: ein Großer Saal mit 1.700 bis 1.800 Plätzen für Bühne, Konzertpodium, Chorpodium und Orgel, ein Kleiner Saal (Salle modulable) mit 400 bis 500 Plätzen sowie vier Studio-Säle mit 50, 100, 150 und 200 Plätzen sowie ein Probesaal. Im Künstlerbereich befinden sich Proberäume wie ein Chorproberaum, Stimmzimmer und Solisten- und Orchestergarderoben. Dazu kommen Technik-, Logistik- und Lagerräume. Kurzum: Die Kapazitäten sind ausgerichtet auf einen regen Ganztagsbetrieb sowie zwei parallel produzierende Orchester.
Konzerthaus Stuttgart: Programmatischer Aufbruch
Musik ist so vielfältig wie die Gesellschaft selbst. Das Konzerthaus Stuttgart will Räume für sämtliche musikalischen Genres bieten, von der „Hoch-“ bis zur Soziokultur, von Laienmusik über regionale Player bis zu den großen Stars und Top-Ensembles der internationalen Musikwelt. Dennoch und selbstverständlich gilt: Für eine Institution wie das Konzerthaus stehen Qualität und musikalische Exzellenz an erster Stelle. Um dies zu gewährleisten und ein zeitgemäßes inhaltliches Profil zu entwickeln, setzt das Konzerthaus auf das Modell einer geschäftsführenden Intendanz.
Über die Initiative Konzerthaus Stuttgart
Der Wunsch nach einer weiteren Konzertspielstätte, ja einem „Musikquartier“ für Stuttgart ist nicht neu. Schließlich hängt die Attraktivität einer Stadt maßgeblich davon ab, wie sie kulturell aufgestellt ist. Der Bedarf ist evident: Die wichtigste Musik-Spielstätte der Stadt, die Liederhalle Stuttgart, ist in die Jahre gekommen und operiert längst an der Kapazitätsgrenze. Das Opernhaus eignet sich nicht für sinfonische Konzerte und ist ebenfalls dringend sanierungsbedürftig. Schon 2009 brachte Konzertveranstalter Michael Russ deshalb die Idee von einer „Schlossgartenphilharmonie“ ins Spiel. Mitte 2017 formierte sich die Konzerthaus-Initiative, zunächst vor allem aus den Reihen der „Liederhallen-Veranstalter“. Im Januar 2018 ging sie mit einer Grundkonzeption an die Öffentlichkeit. Der „Dreiklang der Anforderungen“ setzt sich zusammen aus herausragender Akustik und zeitgemäßer technischer Ausstattung, außergewöhnlicher Architektur an einem sinnvollen zentralen Standort und dem täglichen Zusatznutzen für eine heterogene Gesellschaft im Wandel. Im November 2019 folgte die Gründung des Fördervereins Konzerthaus Stuttgart e.V. Der Stuttgarter Gemeinderat bewilligte im Doppelhaushalt 2020/2021 eine Basisförderung und Mittel für Machbarkeitsstudien. In Kooperation mit allen relevanten musikalischen Akteuren der Stadt arbeitet das Team seitdem intensiv an einer immer präziseren Konzeption und Vision für dieses wegweisende Stuttgarter Projekt.
Ein herzliches Dankeschön des Konzerthaus Stuttgart e.V. geht an seine Förder- und Kooperationspartner: Landeshauptstadt Stuttgart, BW-Bank, Daimler AG, Strichpunkt Agentur für visuelle Kommunikation GmbH, Hospitalhof Stuttgart sowie CMS Hasche Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB.
Konzerthaus Stuttgart: Der nächste Schritt
Im Frühjahr 2021 nahm das Konzerthaus Zukunftslabor seine Arbeit auf. Das Format begann mit Studierenden der HMDK Musikhochschule Stuttgart (Seminar Musikmanagement) und der PH Karlsruhe (Masterstudiengang Kulturvermittlung) und soll Zug um Zug weiterentwickelt werden. Erkenntnisse aus dem ersten Seminar sowie die Ergebnisse einer Publikumsbefragung mit rund 900 Teilnehmern vom Sommer 2021 werden am 8. November 2021 im Stuttgarter Hospitalhof vorgestellt. Please save the date!